“Viele Paare warten zu lange”
Ich habe Prof. von Wolff vor vielen Jahren am Inselspital in Bern kennen gelernt und war sofort begeistert von seinem unglaublichen Engagement für die Frauen und seine umfangreiche Forschung im Bereich der Reproduktionsmedizin. Umso mehr freue ich mich nun, dass er sich die Zeit genommen hat, uns spannende Antworten auf unsere Fragen zu geben. Ein absolut lesenswertes Interview!
Prof. von Wolff wurde 1966 in Aachen, Deutschland geboren und hat drei Kinder, Johannes, Constantin und Carolina. Ausgebildet wurde er in Aachen, London und Basel, gearbeitet hat er in Aachen, München, New York, Heidelberg. Seit 2009 leitet er die Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der der Universitätsfrauenklinik am Inselspital in Bern. In Heidelberg erhielt er 2007 eine assoziierte Professur, in Bern im Jahr 2010.
Wenn er nicht in der Klinik und auf Kongressen ist und dort seinem Hobby, der Forschung nachgeht, findet man ihn am ehesten bei seinen Kindern in Heidelberg oder beim Bergsteigen rund um den Globus.
Herr Prof. von Wolff, warum haben Sie sich dafür entschieden Kinderwunsch-Arzt zu werden? Was war Ihre Motivation? Was war der Reiz?
Mein Weg zum Kinderwunscharzt war ein Weg, der auf vielen Zufällen beruhte. Somit wäre es übertrieben zu behaupten, dass diese Tätigkeit die logische Folge einer langen Lebensplanung war. Allerdings habe ich mich schon als Medizinstudent für die Entstehung des Lebens, d.h. für die Biologie der Reproduktion, interessiert. Deswegen habe ich mir eine Doktorarbeit in diesem Bereich gesucht, aufgrund derer ich eine Tätigkeit in der Gynäkologie erhalten hatte und später dann im Bereich der Reproduktionsmedizin. Auch habe ich drei Kinder, was ich mir seit meiner Kindheit gewünscht hatte. Das grosse Glück eigener Kinder ist eine wesentliche Triebfeder, anderen Paaren auch dieses Glück zu ermöglichen.
Welches ist die grösste Herausforderung, mit der Kinderwunsch-Paare aus Ihrer Sicht heutzutage konfrontiert sind? Welches sind mögliche Lösungen?
Das alte Modell der Rollenverteilung, bei dem der Vater für das Einkommen sorgt und die Mutter nach den Kindern geschaut hat, hat weitgehend ausgedient. Das ist natürlich auf der einen Seite ein grosser Fortschritt, auf der anderen Seite ist es oft nicht einfach, einen Beruf mit Kindern zu verbinden. Es ist zwar möglich, aber viele Paare haben deswegen nur noch 1-2 Kinder. Hier helfen nur gute Kinderbetreuungsprogramme, wofür die Politik gefragt ist.
Welches ist der häufigste Fehler, den Kinderwunsch-Paare aus Ihrer Sicht machen? Wie könnte man diesem entgegen wirken?
Viele Paare warten zu lange. Wer 2-3 Kinder haben will, muss spätestens mit ca. 30 Jahren an eine Familiengründung denken. Wenn alle Paare so vorgehen würden, hätten wir Kinderwunschärzte nicht mehr viel zu tun.
Welchen Geheimtipp geben Sie Paaren mit auf den Kinderwunsch-Weg?
Früh starten, Geduld haben und sich nicht zu sehr unter Druck setzen lassen.
Wenn Sie mit dem Finger schnippen könnten und ein Faktor im Bereich des unerfüllten Kinderwunsches ändern könnten, was wäre es?
Die Krankenkasse würde alle Kinderwunschtherapien erstatten. Eine Sterilität ist gemäss der Weltgesundheitsorganisation eine Erkrankung, weswegen es aus meiner Sicht inakzeptabel ist, dass Paare viele Therapien selbst zahlen müssen. Dies ist nicht nur unfair, sondern auch eine soziale Ungerechtigkeit wegen der hohen Kosten, die sich nicht jeder leisten kann.
Auf was in Ihrem Leben sind Sie stolz?
Am meisten bin ich auf meine drei Kinder stolz.
Was ist Ihr ganz persönlicher grösster Erfolg als Kinderwunsch-Arzt?
Ich hatte und habe noch immer die grosse Freude, zwei Bereiche der Reproduktionsmedizin in der Schweiz und in Deutschland einzuführen und weiter zu entwickeln. So existiert seit einigen Jahren zum einen ein tragfähiges Netz aus Zentren, die sich um den Fruchtbarkeitserhalt bei Krebserkrankungen kümmern und zum anderen haben Paare in der Schweiz inzwischen die Möglichkeit, In-vitro-Fertilisationen ohne Hormonstimulationen durchzuführen, was viele Frauen als einen grossen Fortschritt erachten.
Was war der beste Ratschlag, den Sie je bekommen haben?
„Follow your heart!“ und „Lebe Deinen Traum!“.
Welches Buch hat Ihr Leben verändert und weshalb?
„In eisige Höhen“ von Jon Krakauer über die Besteigung des Mount Everest. Es hat mir gelehrt, dass jeder Berg und somit fast jede Hürde überwunden werden kann. Dies aber nur mit viel Geduld, Ausdauer und grosser Vorsicht.
Wir danken Ihnen ganz herzlich für die Beantwortung unserer Fragen!
Zu den Webseiten von Prof. Dr. von Wolff:
www.kinderwunschzentrum-bern.ch
www.IVF-Naturelle.ch
www.fertiprotekt.ch
Heute in zwei Wochen: 5 Minuten mit Brigitte Weber, TCM-Gynäkologie Zürich
Herzlichen Dank an Prof. von Wolff für dieses Interview.
“Früh starten, Geduld haben und sich nicht zu sehr unter Druck setzen lassen” ist eine Formel, die ich mir merken werde.
Ich persönlich würde gerne ergänzen wollen, dass psychsoziale Beratung und Begleitung der Kinderwunschpaare Standard werden müsste. Gerade in Deutschland gibt es hierzu noch viel zu tun.
Herzliche Grüße
Ein tolles Interview. Es bestärkt mich in meiner Auffassung frühzeitig mit der Familienplanung anzufangen! Vielen Dank Prof. von Wolff!